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Stichwort »Hoffnung« – die Playlist

Die Playlist rund ums Thema »Hoffnung« – aus dem Musiklexikon der Elbphilharmonie.

LUIGI DALLAPICCOLA: IL PRIGIONIERO

Nichts anderes als die Hoffnung bleibt dem Häftling, der in Luigi Dallapiccolas 45-minütiger Kurzoper in einem Gefängnis der spanischen Inquisition schmachtet. Genährt wird sie ausgerechnet durch den Kerkermeister, der von einem Umsturz der politischen Machtverhältnisse raunt und sogar die Zellentür offenstehen lässt. Der Gefangene kann sein Glück kaum fassen und wähnt sich schon in Freiheit, als klar wird: Man spielt nur ein Hase-und-Igel-Spielchen mit ihm, die Illusion eines Happy Ends war die letzte, perfideste Form der Folter.

Dallapiccola war so etwas wie die italienische Antwort auf Arnold Schönberg: Auch er nutzte Zwölftontechnik, kombinierte sie allerdings mit traditioneller Harmonik und einer Art Post-Puccini-Sanglichkeit. So schuf er 1944 einen Meilenstein des Expressionismus und zugleich ein eindringliches Manifest gegen Faschismus und Willkürherrschaft.

GEORG PHILIPP TELEMANN: L’ESPÉRANCE DE MISSISSIPPI

Nein, eine Amerika-Tournee hat der Barockkomponist, der 46 Jahre lang als Hamburger Generalmusikdirektor wirkte, nie unternommen. Der Titel des Finalsatzes seiner Suite »La Bourse« bezieht sich vielmehr auf den großen Börsencrash des Jahres 1720. Damals hatte der schottische Finanzmanager John Law in Paris eine Privatbank eröffnet und Papiergeld eingeführt.

Sein größter Coup hätte seine hoffnungsvoll gestartete »Mississippi-Kompanie« werden sollen, aktiv in den französischen Kolonien des amerikanischen Südens, deren Aktienkurs spektakulär durch die Decke schnellte. Doch als sich im Schlamm des Flussbetts partout kein Gold finden ließ, platzte die Blase und halb Frankreich ging bankrott. Telemann verarbeitete das Auf und Ab der Börsenkurse in einer rasanten Orchestersuite, die er der Stadt Frankfurt schenkte. Daraus gelernt hat man, Stichwort Wirecard, allerdings bis heute nichts.

RICHARD WAGNER: PARSIFAL

Zwei sagenumwobene Reliquien symbolisieren die Hoffnung für Richard Wagner beziehungsweise für die Protagonisten seiner letzten und entrücktesten Oper »Parsifal«: der heilige Gral – der Kelch des Letzten Abendmahls – und die Lanze, mit der Jesus am Kreuz verwundet wurde. Auf ihre heilende Wirkung hoffen sowohl die siechen Gralsritter als auch eine rätselhafte Dame, die perfekte Inkarnation männlicher Sexualkomplexe.

Dummerweise ist die Lanze verschüttgegangen und kann nur von einem »reinen Toren« wiederbeschafft werden, der noch nicht von Geld, Macht und Sex korrumpiert ist (was den Komponisten selbst schon mal ausschließt). Diese kunstreligiöse Melange goss Wagner um 1880 in mystisch wabernde Klänge, die selbst den skeptischen Thomas Mann mit ihrer »frommen Verderbtheit und ungeheuerlichen Schmerzensausdruckskraft « in ihren Bann schlugen: »Eine so furchtbare Ausdruckskraft gibt es wohl in allen Künsten nicht wieder.«

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Elbphilharmonie Magazin | Hoffnung

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LUDGER EDELKÖTTER: KLEINES SENFKORN HOFFNUNG

Selbst an der Kirche ging das Zeitalter der Popmusik nicht spurlos vorüber. Wer daheim Bob Dylan, die Beatles oder, Gott bewahre, die Rolling Stones hörte, wollte im Gottesdienst schließlich nicht nur gregorianische Choräle absingen. Und so bewaffneten sich jugendbewegte Kirchenmenschen mit leidlich gestimmten Gitarren und schenkten der Welt das »Neue Geistliche Lied«.

Musikalisch kennzeichnend ist – neben schlichten Melodien und Akkorden – die großzügige Verwendung der rhythmisch zackigen Synkope, die wohl einen Hauch von Rock ’n’ Roll verströmen soll, in der Praxis die deutschen Texte aber oft in Schluckauf verwandelt. Von der ersten Stunde an dabei war auch Ludger Edelkötter, der ein Gleichnis aus dem Matthäus-Evangelium als Text für seinen NGL-Schlager entlehnte: Danke für diesen guten Morgen, kleines Senfkorn, dass du wirst zum Bahau-mee, der uns Scha-ttenn wirft, denn du bist wu-hun-de-herba-har He-herr …

EDWARD ELGAR: LAND OF HOPE AND GLORY

Als »Land der Hoffnung und des Ruhmes« würde wohl niemand das heutige, von Corona, Brexit und Boris Johnson gebeutelte Großbritannien bezeichnen. Well, vor 100 Jahren sah die Sache anders aus. Dank der unnachgiebigen Queen Victoria beherrschte die Royal Navy die Weltmeere und das Empire den halben Globus. Als 1901 ihr ältester Sohn den Thron bestieg, durfte die Huldigung also gerne etwas üppiger ausfallen.

Zu diesem Anlass arrangierte Edward Elgar einen Abschnitt aus seinen beliebten »Pomp and Circumstance«-Märschen, unterlegt mit einem Text des Dichters Arthur Christopher Benson, der sogar noch die Erweiterung des Empire beschwor. Noch vor der Krönung vorgestellt, drohte er bald der offiziellen Hymne »God save the King« den Rang abzulaufen. Und bis heute singt das Publikum bei der »Last Night of the Proms« selig mit.

EDDY GRANT: GIMME HOPE JO’ANNA

Mit dieser »Jo’anna« ist keine Frau gemeint, von der sich Eddy Grant 1988 womöglich ein Liebeszeichen erhoffte, »before the morning comes«. Vielmehr verbarg sich das südafrikanische Johannesburg hinter der Kurzform – verbunden mit der Hoffnung, dass das menschenverachtende System der Rassentrennung endlich enden möge. Ein Anliegen, das Grant sein ganzes Leben begleitete: Geboren wurde er 1948 in der damals britischen Kolonie Guyana, in einem der ersten Dörfer, das die früheren Sklaven von ihren Herren zurückgekauft hatten.

Später gründete er in London die Band The Equals, die als erste schwarze und weiße Musiker vereinte; er kombinierte Reggae, Rock, Disco und karibischen Calypso und war der erste Nicht-Weiße, der in Europa ein Tonstudio betrieb. Auf die Frage, ob seine Anklage gegen die Apartheid nicht in gar zu fröhliche Klänge gekleidet sei, antwortete er schlagfertig: »Musik ist ein fantastisches Medium – wie Wasser. Du willst eine bittere Pille schlucken? Trink Wasser, und sie wird ganz leicht runtergehen.«

JOHANN SEBASTIAN BACH: WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN

»Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Not sind der Christen Tränenbrot.« Tja, Hoffnung klingt anders als der Eröffnungschor dieser frühen Bach-Kantate. Zumal Bach das Weh und Ach hingebungsvoll mit Seufzerfiguren und schmerzhaften Dissonanzen ausgestaltete.

Entstanden 1714 für die Hofkirche von Weimar, reflektiert das Werk aufs Schönste den Kern protestantischen Glaubens: Immer schön duldsam bleiben, denn »nach dem Regen blüht der Segen«, wie in einer folgenden Arie der Tenor tapfer singt. Immerhin stellte ihm der Komponist dabei eine Solotrompete zur Seite, die ihm und allen Gottesdienstbesuchern mit der hoffnungsvollen Melodie von »Jesu bleibet meine Freude« das nötige Durchhaltevermögen einbläst.

Text: Clemens Matuschek, Stand: 16.04.2021

Dies ist ein Artikel aus dem Elbphilharmonie Magazin (Ausgabe 02/2021), das drei Mal pro Jahr erscheint.

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