Der Klang der Gegenwart im Großen Saal: Beim Festival »Elbphilharmonie Visions« steht ausschließlich zeitgenössische Musik auf dem Programm. Das ist nicht nur musikalisch spannend, sondern bietet auch die großartige Chance, den Komponist:innen Fragen zu ihren Werken und zum Komponieren selbst zu stellen. Wie funktioniert Komponieren überhaupt? Haben sie vorher schon eine konkrete Vorstellung von dem Werk oder entsteht es erst beim Schreiben? Was für eine Rolle spielt die Umgebung? Und was wünschen sie sich für ihre Musik?
Davon berichten die Komponist:innen des Festivals in Kurzinterviews – in dieser Ausgabe mit Magnus Lindberg, für den es »die schlimmste Sünde ist, langweilig zu sein«. Beim Festival steht sein Konzert für Viola und Orchester auf dem Programm.
Was inspiriert Sie als Komponist?
Ich bin auf der Suche nach der Grammatik von Musik. Die Herausforderung liegt darin, in einer Komposition eine innere Logik und Balance zu finden.
Welche Rolle spielt das Außermusikalische?
Das ist sehr schwer zu sagen. Unterschiedliche Lebensphasen, verschiedene Stimmungen und mehr Erfahrung führen sicher zu einem Wandel in der Ästhetik, aber ich bin nicht die richtige Person, um das selbst zu beurteilen. Manchmal hat mich Zeitdruck vielleicht dazu gebracht, spontaner zu schreiben – wer weiß? Aber ich brauche grundsätzlich eine ruhige Umgebung und genügend Zeit, um mich bei der Arbeit sicher zu fühlen.
Ist Ihre innerliche Vorstellung von einem Werk schon ausgeprägt, ehe Sie sich daran machen, es zu komponieren?
Das kommt auf den Umfang des Stücks an. Es ist etwas ganz anderes, ein fünfminütiges Solo oder ein 30-minütiges Orchesterstück zu schreiben. Das Werk bringt die »Vision« eigentlich erst im Laufe der Arbeit hervor. Vielleicht habe ich zu Beginn ein Konzept, das sich dann aber beim Komponieren oft noch verändert und weiterentwickelt.
Wie würden Sie den Klang unserer Zeit beschreiben?
Das Spektrum ist heute viel breiter als in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Der Sound kann eher verkopft sein oder richtig brutal industriell sein – von sehr konkret bis ganz abstrakt. Ich bin ja jetzt schon einige Zeit dabei und merke, dass sich Trends wiederholen, wobei jede neue Generation immer auch neue Wege findet.
Was braucht zeitgenössische Musik, um die Liebe des Publikums zu gewinnen?
Die schlimmste Sünde ist es, langweilig zu sein!
Neu geschriebene Musik muss ehrlich sein, und wenn sie provokativ ist, muss es einen Grund dafür geben. Musik ist eine wunderbare Art der Kommunikation. Ein Komponist muss den Drang haben, mit anderen Menschen – dem Publikum – zu kommunizieren. Es geht nicht darum, irgendeinen »Geschmack« zu treffen, sondern darum, aufrichtig und offen zu sein in dem, was man tut.
Was möchten Sie dem Publikum über Ihr Werk mit auf den Weg ins Konzert geben?
Ich hoffe, dass man die Musik genießen kann, ohne vorher etwas zu wissen! Aber klar, es schadet auch nie, informiert zu sein.