Keine Musikkultur Zentralasiens ist in Europa so bekannt geworden wie die der Mongolei. Vor fast 30 Jahren begannen mongolische Ensembles, europäische Bühnen und Fußgängerzonen zu bespielen, und die Faszination für die Klänge des Kehlkopfgesanges und der Pferdekopfgeige konnte sich in unseren Breiten bis heute halten. Längst hat sich, auch durch den Kontakt der Musiker mit dem Westen, mongolische Musik in viele stilistische Feinheiten ausdifferenziert und weiterentwickelt. Die Formationen Egschiglen und Khusugtun sind für die Vielfalt der Musik des großen Landes Paradebeispiele.

Klang der Steppen
Landschaft prägt Musik, die Topographie einer Region wird in ihren Klängen nachgebildet: Das gilt in besonderem Maße für die Mongolei mit ihren immensen, weiten Steppen und Wüsten und den mächtigen Bergen. Der charaktervolle Horizont, die rauen Elemente und die Laute der Tiere haben Eingang gefunden in die Musik der Viehnomaden. In den Urtiin Duu, den »langen Liedern« von sehr ruhigem, melancholischem Charakter findet dieses Lebensgefühl Ausdruck, die Naturbetrachtungen werden mitunter auch ins Philosophische und Spirituelle verlängert, weisen Bezüge zur animistischen oder buddhistisch-lamaistischen Weltsicht auf.
Khöömei :Mit Obertönen singen
Einzigartig ist die Gesangstechnik des Khöömei: Mit ihr sind mongolische Sänger in der Lage, bestimmte Obertöne über dem Grundton herauszuheben und daraus Melodien zu formen. Oft wird auch die Technik des Khargyraa eingesetzt, bei dem der erste Unterton zur Geltung kommt. Die Obertöne, die »pfeifenden« Charakter besitzen, können über große Distanzen wahrgenommen werden. Eine weitere Besonderheit der mongolischen Musik und ihrer Nachbarregionen ist die Morin Khuur, eine mit Pferdekopfschnitzereien versehene Fiedel, die melodisch das Wiehern und rhythmisch den Galopp der Pferde nachbildet.
Das Ensemble Egschiglen
Im April 2020 hätten die Ensembles Egschiglen und Khusugtun Musik aus ihrer mongolischen Heimat in der Elbphilharmonie präsentiert. Das Konzert fiel zwar aus, doch ihre Musik verdient gehört zu werden.
Mit ihrer innovativen Spielweise gelten die Mitglieder von Egschiglen (»schöne Melodie«) als die Väter der modernen mongolischen Musik. Hervorgegangen ist das Ensemble aus befreundeten Studenten von der Musikhochschule in Ulan-Bator. Sie schlossen sich Anfang der Neunziger mit dem Ziel zusammen, fernab von Folklorismen die zeitgenössische mongolische Klassik aufzuführen. Die Langlieder, auch die epischen Tuuli-Gesänge und die Preislieder Magtaal (zum Beispiel auf Dschingis Khan) erreichen in den Arrangements von Egschiglen eine neue ausgefeilte Stufe, die an klassische Kammermusik erinnert. Durch den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Pferdekopfgeigen entstehen Texturen, die wir als verwandt mit abendländischen Streichquartetten empfinden können. Egschiglen scheuen nicht vor Teamworks mit DJs oder Rockmusikern zurück, haben auch schon Volkslieder ihrer Wahlheimat im fränkischen Altmühltal mit Obertongesang und Morin Khuur (Pferdekopfgeige) gepaart.
Das Ensemble Khusugtun
»Das Wunder des mongolischen Obertongesangs besteht darin, dass ein Mensch zwei Töne gleichzeitig hervorbringt – oben eine Melodie und unten ein tiefer Bass.«
Ensemble Khusugtun
Die musikalische Sprache der nächsten Generation mongolischer Musiker spiegelt sich im Sextett Khusugtun (wörtlich: »Streitwagen«), das seinen Stil selbst als »ethnische Ballade« bezeichnet. Das junge Sextett beeindruckt durch die kompakten Schichtungen der Gesangstechnik Khöömei (Erklärung weiter unten) und durch Lieder, die der Erhabenheit der Natur huldigen. Manche ihrer Stücke haben einen fast rockigen Drive, und in der Tat haben sie in der Talentshow »Voice Of Asia« das junge Publikum begeistert. Bereichert werden die Arrangements durch die Sängerin Amarbayasgalan Chovjoo, die einen hellen Gegenakzent zum Khöömei setzt, durch die Flöte Limbe und die seltener gespielte Wölbbrettzither Yatga.
Konzertausschnitt Khusugtun
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Die Pferdekopfgeige (Morin Khuur)
Die Pferdekopfgeige ist das Symbol der mongolischen Kultur schlechthin. Ihr trapezförmiger Resonanzkörper war früher mit Kamel-, Ziegen- oder Schafshaut bespannt, heute ist er ganz aus Holz gefertigt und besitzt zwei F-Schalllöcher. Der Klang erinnert an das Violoncello. In den Melodielinien wird oft das Wiehern der Pferde imitiert, die Rhythmen der schnelleren Stücke erinnern an einen Galopp.
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Die Wölbbrettzither (Yatga)
Eines der wichtigsten Instrumente Chinas ist die Wölbbrettzither Guzheng, die eine 2500-jährige Geschichte zurückblickt. Von ihr stammt die nahezu identische mongolische Yatga ab. Ihre 21 pentatonisch gestimmten Saiten werden mit den Nägeln der rechten Hand gezupft, während die linke durch Verkürzung die Tonhöhe variiert.