Kunst und Kultur im öffentlichen Raum: Vor drei Jahren von der China Academy of Art in Hangzhou initiiert, untersucht das internationale City Digital Skin Art (CDSA) Festival das Potential digitaler Bildschirme und Medienfassaden für eine hybride Gestaltung von Orten im öffentlichen Raum. Hierfür haben Studierende von renommierten Universitäten wie der Nanyang Technological University in Singapur, der Polytecnico in Mailand und der Bauhaus-Universität Weimar etwa einmütige Videoarbeiten zum Thema »Beyond the Screens« gestaltet. Diese widmen sich wichtigen Umweltthemen, die vor allem durch den tiefgreifenden Einfluss des Menschen auf unseren Planeten entstanden sind. Aus rund 200 eingereichten Beiträgen wählte eine internationale Jury 40 Arbeiten aus, die ab Mitte Oktober 2024 auf großformatigen Medienfassaden und Public Screens in Shanghai, Peking, Hangzhou, Shenzhen, Singapur und erstmalig auch in Europa gezeigt werden. Neben Mailand und Paris hat es auch Hamburg mit der großen Media Wall der Elbphilharmonie unter die ausgewählten Präsentationsorte geschafft.
Vom 15. bis 31.10.2024, täglich von 10-22 Uhr wird hier ein ausgewähltes Programm von zwölf künstlerischen Videoarbeiten gezeigt.
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Über die Media Wall der Elbphilharmonie
Wer schon einmal über die Tube (Rolltreppe) hoch auf die Plaza gefahren ist, wird sie gesehen haben: die Medienfassade der Elbphilharmonie. Aus 857.472 LEDs zusammengesetzt, zeigt sie auf einer Fläche von 18 mal 5 Metern digitale Kunstwerke und spielt Animationen und hochauflösende Filme ab.
»Schon von weitem als hell erleuchteter Schlitz sichtbar, ist die LED-Wand als Element in der Gesamtkomposition des Hauses so konzipiert, dass sie die Besucher:innen in die Elbphilharmonie förmlich hineinzieht«, erklärt Jan Christoph Lindert vom Architekturbüro Herzog & de Meuron. »Das stets bewegte Bild und damit immerzu changierende Licht macht neugierig, weckt die Vorfreude und markiert deutlich den Eingangsbereich der Elbphilharmonie.«
Regelmäßig kreieren Künstler:innen spezielle Kunstwerke für die LED-Fassade der Elbphilharmonie, die so einem Schaufenster für aktuelles Medienkunstschaffen wird. Darüber hinaus hat die Fläche auch einen praktischen Nutzen und kündigt an, was in der Elbphilharmonie zu erleben ist. Die programmatischen Festivals werden durch Motive und farbliche Stimmungen an der LED-Fassade auch nach außen hin sichtbar.
Video-Beiträge
Die ausgewählten Kunstwerke auf der Media Wall widmen sich vier verschiedenen Themenblöcken: Naturwelten und KI-Systeme / Kolonialisierung ins Weltall / Anthropozän und Technosphäre / Sagen und Naturzyklen
Beyond the screens - Beyond Human
Das Thema »Beyond the Screens« öffnet verschiedene Perspektiven, die zum Nachdenken über die Auswirkungen des Anthropozäns anregen. Mit Hilfe von KI-unterstützten Anwendungen gestalteten die Studierenden hybride Realitäten und digitale Landschaften, die die Komplexität der Ökosysteme unseres Planeten reflektieren möchten, die den Blick auf die Erde als Technosphäre richten und die nicht-menschliche Lebenswelten (non-human bzw. beyond-human) entwerfen.
Die verschiedenen Beiträge positionieren sich inhaltlich an der Schnittstelle von Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft. Die kritische wie poetische Gegenüberstellung von Mensch und Natur sucht nach neuen Wege der Kohabitation und dem Erhalt der Artenvielfalt. Auch wichtige technologische Erfindungen wie die Überwindung der Schwerkraft durch Flugkörper, die Erfindung der Zeitmessgeräte und die Zukunft der medizinischen Genbearbeitung werden in den einminütigen Videoarbeiten reflektiert.
Die Video-Beiträge :Die Künstler:innen und ihre Werke
Thema 1: Naturwelten und KI-Systeme
Diese Videoarbeiten bilden einen Themenblock, der die Natur in ihrer Schönheit nachempfinden und digital mit KI-unterstützten Systemen visualisieren möchte. Im Mittelpunkt steht vor allem die Komplexität der Ökosysteme und deren Fragilität, wenn diese unter dem menschlichen Einfluss aus der Balance geraten.
Zork Art
»Virtual Nature Study«
(China Academy of Art, School of Sculpture and Public Art, Hangzhou)
Gold Award
Mit der Reihe »Research on Virtual Nature« erforscht der Künstler auf poetische Weise die Vielfalt einer digitalen Natur, die durch Leere und Stille charakterisiert ist. Die Betrachtenden werden eingeladen, in eine virtuelle Umgebung einzutauchen und die Wärme und subtilen Veränderungen der Natur zu erleben, wodurch ein Gefühl der Unwirklichkeit entsteht.
Sreeshna Sowmya
»Nature Sanctuary 3000«
(NTU Singapore, School for Art, Media and Design)
Silver Award
Die Arbeit erkundet eine dystopische Zukunft, in der die Technologien unsere Städte dominieren. Für den einsamen Stadtbewohner tut sich plötzlich eine vergessene Naturenklave auf, die eine Sehnsucht nach natürlichen Lebensräumen erzeugt und das empfindliche Gleichgewicht zwischen schnellem technologischem Fortschritt und der beständigen Natur gegenüberstellt.
Ayça Tugran
»Beyond the Funky«
(Bauhaus-Universität Weimar / Media Architecture)
Silver Award
Die Arbeit spiegelt den menschlichen Einfluss von Konsum und Ressourcenmangel auf unsere Lebensräume wie einem Supermarkt, einer Kirche etc. wider. Die Videoarbeit hat eine sehr konsistente Bildsprache, die durch Photogrammetrie entstanden ist. Das Werk stellt sterile, vom Menschen dominierte Räume lebendigen, ungezähmten Ökosystemen gegenüber und fordert zu einem ganzheitlicheren Verständnis der Komplexität und Vielfalt unserer Welt auf.
Mina Boylu & İdil Öztürk
»Echo of Bits«
(Bauhaus-Universität Weimar/ Media Architecture)
»Echo of Bits« untersucht die Wechselwirkungen der Natur-Mensch-Konstellation und spiegelt das Konzept von Yin und Yang wider. Das Kunstwerk verwendet Korallenriffe als Symbol für die Fraktale der Natur, um hervorzuheben, wie sich individuelle Entscheidungen auf das Gesamtsystem auswirken. Letztendlich rückt das Projekt unsere kollektive Verantwortung und die wichtige Rolle, die wir bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in dieser komplexen, voneinander abhängigen Welt spielen, in den Vordergrund und unterstreicht die tiefgreifenden Auswirkungen unserer Handlungen.
Thema 2: Kolonialisierung ins Weltall
Können wir unsere Probleme durch eine Auswanderung ins Weltall lösen? Die Erde stößt an ihre Grenzen, was das Bevölkerungswachstum und den Ressourcenverbrauch betrifft. Einige Menschen sehen in der Kolonisierung des Weltraums eine Möglichkeit, neuen Lebensraum und unerschöpfliche Ressourcen zu erschließen. Manche sehen die Kolonisierung des Weltraums als einen Ausweg, um den Herausforderungen auf der Erde zu entkommen, anstatt sich den ökologischen Problemen direkt zu stellen.
Hu Qing Ya
»Gathering and Dispersing«
(Beijing Film Academy)
Bronze Award
Inspiriert von Qu Yuans Gedicht »Distant Travels«, das sich mit dem riesigen Universum und im Gegensatz dazu mit der Bedeutungslosigkeit des Menschen beschäftigt, verwendet »Gathering and Dispersing« abstrakte Partikelformen, um die menschliche Zerbrechlichkeit und Unsicherheit zu veranschaulichen. In drei Phasen – unerschütterlicher Fortschritt, chaotische Existenz und kollektiver Aufstieg – regt das Stück zu tiefer Reflexion über das Leben und das Selbst an und zielt darauf ab, Resonanz und Kontemplation hervorzurufen.
Kevin Blackistone
»Habitat«
(Bauhaus Universität Weimar/ Media Architecture)
Bronze Award
Dieses Werk verwendet ein Terrarium als Symbol für die begrenzten Ressourcen der Erde und betont die enormen Herausforderungen der Weltraumkolonisierung. Das Terrarium mit seinem sich selbst erhaltenden Ökosystem könnte für den Aufenthalt im Weltall selbst erhaltend und nachhaltig sein.
Zhuoyue Zou
»Walk, run, and fly«
(Tian Jin Art Academy)
»Walk, rund and fly« bewegt sich an der Schnittstelle zwischen virtueller und realer Welt und veranschaulicht Übergänge, die vor allem von der täglichen Routine getrieben sind. Wenn wir uns von der Routine lösen, stellen wir fest, dass uns nur die pure Dringlichkeit des Lebens leitet. Der schwebende Mond symbolisiert im Gegensatz dazu, unsere Träume, die uns an andere Welten außerhalb der täglichen Routine erinnern.
Umut Ekinci & Lucas Garancher
»Look Away«
(Bauhaus Universität Weimar/ Media Architecture)
Dieses Projekt untersucht unsere menschliche Tendenz, vor Problemen zu fliehen, anstatt sie zu lösen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Durch eine Erzählung mit einem Astronauten und einem Vogel symbolisiert »Look away« die Verbindung zwischen menschlichem Verhalten und der Natur. Die sich wiederholende Handlung betont, dass die Flucht in eine bessere Welt sinnlos ist; wir müssen uns unseren Herausforderungen hier und jetzt stellen.
Thema 3: Anthropozän und Technosphäre
Die Begriffe sind eng miteinander verbunden. Wie hat der Mensch durch seine Technologien, Industrie und Lebensweise die natürlichen Prozesse des Planeten verändert? Gibt es Lösungsmodelle für die Zukunft?
Lee Chaewon
»CRISPR Chronicles«
(NTU Singapore, School for Art, Media and Design)
Silver Award
Das Projekt »CRISPR Chronicles« untersucht die revolutionären, aber auch umstrittenen Auswirkungen der Genom-Editierung, insbesondere durch das CRISPRCas9-System. Indem es die Frage aufwirft, ob Genom-Editierung nützliche Fortschritte oder potenzielle Pannen in der Wissenschaft sind, verwendet das Projekt visuelle Metaphern, um die Dualität von Fortschritt und Risiko zu veranschaulichen. Es regt die Gesellschaft dazu an, über die moralischen und biologischen Auswirkungen hochmoderner Medizintechnik nachzudenken.
Zheng Yanran, Lei Hanyi & Wamg Mengcheng
»People without gravity«
(China Academy of Art, School of Sculpture and Public Art, Hangzhou)
Bronze Award
»Man Without Gravity« ist ein Multimediaprojekt, das den menschlichen Wunsch untersucht, die Schwerkraft zu überwinden und die Geschichte der Luftfahrt mit zeitgenössischer Kunst verknüpft. Anhand von Videos, Artikeln und Erzählungen werden die technologischen Fortschritte anhand von 33 Flugkörpern untersucht, die es den Menschen ermöglicht haben, sich von der Anziehungskraft der Erde zu befreien. Das Projekt bietet eine einzigartige, interdisziplinäre Erforschung der Fluggeschichte, wissenschaftlicher Prinzipien und künstlerischen Ausdrucksformen.
Li Lin, Lampo Leong & Yanxiu Zhao
»Magical Creatures«
(University of Macao)
Diese Arbeit möchte dazu anregen, dass die Menschen die Mikro- und Makrowelt verstehen und respektieren, um friedlich mit sichtbaren und unsichtbaren Wesen zusammenzuleben. »Magical Creatures« nutzt die Kreativität künstlicher Intelligenz, um faszinierende, nicht-virtuelle Kreaturen zu enthüllen. Dies inspiriert die Menschheit, unsere Umwelt und den Raum um uns herum weiter zu erforschen.
Thema 4: Sagen und Naturzyklen
Mit dem Themenfeld der Sagen und überlieferten Geschichten über Naturzyklen und den Kreislauf des Lebens können überlieferte Methoden und Praktiken wiederbelebt werden und die emotionale Beziehung zur Natur unterstützt werden. Sie können inspirieren, alte Methoden des Umweltschutzes in moderne Kontexte zu übertragen.
Wang Shuai & Xu Xiaohua
»The drunken beauty«
(BaiShui Art Studio)
Dieses innovative Projekt verbindet digitale Kunst mit der traditionellen Peking-Oper und präsentiert eine digitale Interpretation von Mei Lanfangs klassischer Arie »Die betrunkene Konkubine«. Durch die digitale Bearbeitung der traditionellen Bewegungen und Schritte der Peking-Oper soll das Werk Chinas kulturelles Erbe in einem modernen Licht präsentieren. Traditionelle Künste wie die Peking-Oper können dazu beitragen, ein Bewusstsein für den Schutz kultureller und natürlicher Ressourcen zu schaffen, da sie die Erhaltung und Pflege beinhalten.